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Aufklärungsvideos zu Long COVID und ME/CFS von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland

In Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Technischen Universität München

15. Dezember 2022

Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland haben in den letzten Monaten gemeinsam zwei Aufklärungsvideos produziert: ein Video über Post-Exertionelle Malaise (PEM) und ein Video über Pacing. Die Videos richten sich an Ärzt*innen, Personen aus Gesundheitsberufen und Sozialbehörden, Erkrankte, Angehörige und ihr Umfeld. 

Video „Was ist Post-Exertionelle Malaise (PEM)?”

PEM, manchmal auch „Crash” genannt, beschreibt eine unverhältnismäßige Verschlechterung der Symptomatik nach körperlicher, kognitiver oder mentaler Anstrengung. PEM ist das Kernsymptom der Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und kommt zudem auch bei einem Teil der Long COVID-Erkrankten vor, ohne dass diese die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllen. Es ist grundlegend wichtig, dass PEM im Gesundheitswesen und darüber hinaus flächendeckend bekannt wird, damit das Auftreten frühzeitig erkannt und mit Pacing als Strategie zum Energiemanagement begonnen werden kann, um die Prognose zu verbessern.

Video „Was ist Pacing?”

Pacing ist eine Methode des Energiemanagements, die in den 1980er Jahren von ME/CFS-Forschenden und -Kranken für ME/CFS entwickelt wurde. Das Ziel von Pacing ist es, das Überschreiten der individuellen Belastungsgrenzen und eine Zustandsverschlechterung – die Post-Exertional Malaise (PEM) – zu verhindern. Das achtminütige Video erklärt, warum Pacing wichtig ist, was man beachten sollte und welche Hilfsmittel dabei unterstützen können.

Die beiden Videos sind in Zusammenarbeit mit Expertinnen der Charité Berlin und der TU München entstanden. Die Postproduktion hat die Kreativagentur für Videoproduktion QREATE pro bono übernommen und in stetiger Absprache mit uns unsere Vorstellungen umgesetzt, dafür bedanken wir uns herzlich. Ein Dank gilt auch Mia Diekow von Long COVID Deutschland, die als professionelle Sprecherin das Aufnehmen des Videos übernommen hat und Andreas Krambrich, der Mia Diekow gefilmt hat. 

Die Videos haben deutsche und englische Untertitel. Am Ende dieser Seite werden zudem die Transkripte der beiden Videos bereitgestellt. 

Die beiden je achtminütigen Videos über PEM und Pacing sind in voller Länge auf dem neuen gemeinsamen YouTube-Kanal „ME/CFS und Long COVID erklärt“ von Long COVID Deutschland und der Deutsche Gesellschaft für ME/CFS abrufbar: hier klicken 

Nutzungsbedingungen der Videos

Die Videos dürfen nicht bearbeitet oder geschnitten werden. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland müssen als Erstellerinnen benannt werden. Direkt unter dem PEM Video muss die PEM Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und die Seite von Long COVID Deutschland verlinkt werden. Direkt unter dem Pacing Video muss die Pacing Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und die Seite von Long COVID Deutschland verlinkt werden. 


Transkript für das Video „Was ist Post-Exertionelle Malaise (PEM)?” 

Hallo, ich bin Mia.  

Ich bin selbst betroffen von ME/CFS (nach COVID) und werde hier gleich etwas über das wichtigste Symptom dieser Erkrankung erzählen. Expertinnen der Charité Berlin und der TU München haben uns bei diesem Video unterstützt. Wir, das sind die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS und Long COVID Deutschland. 

Vorab: Warum machen wir dieses Video?  

Vor allem, weil es schon lange überfällig ist. Denn schon immer sind postinfektiöse Erkrankungen schlecht erforscht und das vorhandene Wissen in der Medizinwelt kaum verbreitet. Und auch die Versorgungslage ist leider mehr als düster. Seit COVID-19 sind Hunderttausende neue Patient*innen hinzugekommen und wir müssen also dringend klären: Was ist Post-Exertionelle Malaise? 

Kurze Begriffserklärung: Post-Exertionelle Malaise könnte man wörtlich ungefähr so übersetzen: „nach der Anstrengung kommt die Verschlechterung“. Im Verlauf des Videos werden wir es abkürzen mit PEM. PEM ist das Kernsymptom der Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis, auch Chronisches Fatigue-Syndrom genannt.  

Ok, zugegeben viele Fremdwörter, die man kaum aussprechen kann. Aber: Müsst ihr auch nicht unbedingt. Wenn ihr die Abkürzungen ME/CFS und PEM kennt und den Mechanismus dahinter versteht, reicht das erstmal völlig. Das ist die halbe Miete. 

ME/CFS tritt häufig nach Infekten auf, wie z. B. dem Pfeifferschen Drüsenfieber, ausgelöst durch das Epstein-Barr-Virus, oder der Grippe und jetzt auch nach COVID-19. Aber: auch schleichende Verläufe sind bekannt. Nach dem ursprünglichen Infekt entwickelt sich plötzlich eine Vielzahl von Symptomen, manchmal sogar mit einigen Monaten Verzögerung. Wie kann sich das äußern? 

Die von ME/CFS Betroffenen haben z. B.  

  • Schwierigkeiten mit dem Kreislauf im Sitzen oder Stehen, häufig in Verbindung mit Herzrasen 
  • außerdem diverse Formen von Schmerzen 
  • Konzentrations- oder Merkstörungen, die oft als Nebel im Kopf oder (englisch) „Brain Fog“ beschrieben werden 
  • ein grippeähnliches Gefühl 
  • nicht erholsamen Schlaf 

und weitere Symptome. 

Das Kernsymptom ist eine Belastungsintoleranz, die mit einer Post-Exertionellen Malaise (PEM) einhergeht. Viele Betroffene nennen das auch Crash. 

PEM bezeichnet eine Verschlechterung der Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Die Anstrengung muss hierbei nicht groß sein, also z. B. ein intensives Ausdauertraining, sondern kann im Gegenteil subjektiv als gering empfunden werden, z. B. so etwas wie Körperpflege oder ein Telefonat. Oft tritt diese „Verschlechterung des Zustands nach Aktivität“ um Stunden oder Tage verzögert ein. 

Bei einem leichten Verlauf kann das bedeuten, dass Erkrankte z. B. noch arbeiten können, aber den Rest der Zeit ausruhen müssen und auf jede soziale Aktivität oder Sport verzichten müssen, weil dies ihre Überlastungsgrenze überschreiten und PEM auslösen würde. Bei schwereren Verläufen kann bereits  

  • Einkaufen 
  • ein Spaziergang 
  • Fernsehen 
  • oder eine Unterhaltung 

PEM auslösen und die Symptome verschlechtern. In sehr schweren Fällen ist aufrechtes Sitzen oder „einfach nur“ im Bett Umdrehen nicht mehr möglich, ohne eine zeitweise oder dauerhafte Zustandsverschlechterung auszulösen. 

Ganz grob gesprochen kann man sich das wie einen Handyakku vorstellen, der nicht mehr vollständig lädt, egal wie viel man sich ausruht. Jedes Mal, wenn er zu sehr entladen wird, verstärken sich die Symptome und es treten neue auf. 

Je schwerer die Erkrankung, desto weniger kann der Akku überhaupt noch laden. Und je niedriger der Akkustand, desto stärker werden die Symptome. 

Jede Aktivität kostet Energie. Egal ob es eine körperliche wie Laufen, Kochen oder Staubsaugen oder eine geistige Tätigkeit wie eine Unterhaltung, Lesen oder Fernsehen ist. Bei schwer Erkrankten kann es auch schon eine große Mahlzeit oder ein kaltes Getränk sein. 

Wie kann man sich das vorstellen? Man wacht auf. Aufstehen, Duschen, Anziehen. Zack zwei Striche von der Akkuladung weg. Einkaufen? Drei Striche Weg. Noch kurz ein Video auf YouTube gesehen und schnell ein bisschen aufgeräumt? Zack, zwei weitere Striche weg und die Überlastungsgrenze für den Tag ist erreicht. Oder überschritten. 

Häufig zeigen individuelle Warnsymptome wie Halsschmerzen oder verstärkter Brain Fog, dass die Überlastungsschwelle erreicht oder überschritten ist. Weil die PEM bis zu 72 Stunden verzögert eintreten kann, ist es für Erkrankte oft schwer einzuschätzen, ob sie die Schwelle überschritten haben und welche Aktivität zu viel war. 

Tritt PEM ein, ist die Baseline, also die Energie mit der man morgens startet, noch weiter abgesenkt. Man kann in dieser Zeit noch weniger Tätigkeiten durchführen, bevor es zu einer zusätzlichen PEM bzw. vielen starken Symptomen kommt.  

Je weiter man die Überlastungsschwelle überschritten hat, desto stärker sinkt die Baseline ab und desto stärker sind die Symptome. Bei manchen Erkrankten bis hin zur vollständigen Bettlägerigkeit. Dieser Zustand kann Tage bis Wochen anhalten oder zu einem dauerhaften Absinken des Energieniveaus führen. 

Klingt schrecklich, ist es auch. Und es drängt sich die Frage auf: Wie kann man das denn verhindern, dass es zu PEM kommt und wie kann ich das Risiko für eine permanente Verschlechterung reduzieren?  

Gute Frage: Leider gibt es Stand heute keine wirksamen Therapien. Aber als erkrankte Person kann ich trotzdem wichtige Praktiken lernen, wie ich innerhalb meiner Energiegrenzen bleibe und die Überlastungsschwelle möglichst selten und wenig überschreite. 

Das „Zauberwort“ ist: Pacing. Dieses Energie- und Aktivitätsmanagement wurde in den 1980er Jahren für ME/CFS entwickelt. Pacing erklären wir in einem separaten Video. 

Hilfreiche Links und weitere Informationen findest du in der Beschreibung. 

Und nicht vergessen, egal ob du selbst betroffen bist, oder nicht: Teile das Video mit deinen Freund*innen, Verwandten und Ärzt*innen. Denn auch im Jahr drei nach Beginn der Pandemie haben viele in der Bevölkerung, auch Ärzt*innen, noch nie von Post-Exertioneller Malaise gehört. 

Die Macher*innen dieses Videos wünschen euch alles Gute. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! 

Transkript für das Video Was ist Pacing?” 

Hallo, ich bin Mia. 

Ich bin selbst betroffen von ME/CFS (nach COVID) und werde in diesem Video vom Umgang mit dieser Erkrankung erzählen. Expertinnen der Charité Berlin und der TU München haben uns bei diesem Video unterstützt. Wir, das sind Long COVID Deutschland und die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS. 

Heute wollen wir der Frage nachgehen: Was ist Pacing? 

Pacing ist eine Methode des Energie- und Aktivitätsmanagements, die in den 1980er Jahren von ME/CFS-Forschenden und -Kranken für ME/CFS entwickelt wurde. Das Ziel von Pacing ist es, das Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze und eine Symptomverschlechterung zu verhindern. 

Pacing ist keine Therapie, es dient lediglich dazu, die mit der Anstrengung und Überlastung verbundene Abwärtsspirale so gut wie möglich aufzuhalten. 

Das Pacing, also übersetzt so etwas wie „sich selbst das richtige Tempo vorgeben“, leitet sich aus der Post-Exertionellen Malaise ab. 

Die Post-Exertionelle Malaise, kurz PEM, habe ich bereits in einem anderen Video beschrieben. Sie bezeichnet die Verschlechterung der Symptomatik nach oft schon geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. 

Vereinfacht ausgedrückt verschlechtern sich der eigene Gesundheitszustand und die Symptome, wenn man die eigene, individuelle Energiegrenze überschreitet. Dabei ist es egal, ob dies durch körperliche oder geistige Aktivität passiert.  

PEM wird von Betroffenen auch oft Crash genannt. Je nach Stärke der Erkrankung kann PEM durch geringe Anstrengung wie 

  • Einkaufen 
  • kurze Spaziergänge 
  • ein Gespräch 
  • Lesen 
  • Duschen 
  • oder sogar nur aufrechtes Sitzen  

ausgelöst werden. 

So eine PEM kann Tage, Wochen oder Monate andauern. PEM kann sich auch als dauerhafte Verschlechterung zeigen. 

Daher geht es beim Pacing darum, die eigenen Energie- und Überlastungsgrenzen kennen zu lernen und durch vorausschauendes Planen und Priorisieren von Aktivitäten bestmöglich einzuhalten. 

Schwer Erkrankte können PEM allerdings häufig trotz konsequentem Pacing nicht verhindern, da bei ihnen essenzielle Tätigkeiten wie Essen, Waschen oder leichte Bewegungen schon einen Crash auslösen können. Aber auch moderat Erkrankte können einen Crash häufig nicht verhindern, weil sie zum Beispiel Arzt- oder Behördentermine wahrnehmen müssen. 

Sind Erkrankte in einem Zustand dauerhafter Überlastung, weil sie die PEM nicht als solche erkennen oder kein Pacing betreiben können, kann es sein, dass die individuellen Crashs nicht mehr wahrnehmbar sind. Dann werden sehr starke Symptome zum Dauerzustand. 

Daher bietet es sich zum Einstieg ins Pacing an, zu allererst für einen überschaubaren Zeitraum, z. B. eine Woche, das Aktivitätsniveau um 50 % zu reduzieren, um zu versuchen, PEM zu durchbrechen. Hier kann ein Aktivitätstagebuch helfen, in dem man alles aufschreibt was man macht, inklusive Zeiten am Handy, vorm Fernseher oder laufendem Radio. Und dann macht man für den geplanten Zeitraum nur die Hälfte. 

In der restlichen Zeit macht man Pause. In einer Pause wird nichts gemacht, außer gelegen. Man kann autogenes Training, Meditation oder Atemtechniken zur Entspannung einsetzen. Aber kein Social Media, Radio oder Fernsehen.  

Wirklich nichts zu machen ist sehr hart, gerade zu Beginn, wenn man gewöhnt ist, sonst viel zu tun. Viele nutzen in dieser Zeit Baustellenlärmschützer und Schlafmasken, um sich von Reizen abzuschirmen. 

Wenn sich die Symptome gebessert haben, kann man die Tätigkeiten ganz langsam wieder anpassen, um sich an die individuelle Überlastungsgrenze heranzutasten. 

Hilfreich kann es sein, auf individuelle Warnsymptome zu achten, die eine Überlastung ankündigen. Dies können z. B. Halsschmerzen, verstärkter Brain Fog, Kopf- oder Muskelschmerzen sein. 

An dieser Stelle hilft vielleicht das Bild des Akkus aus dem PEM-Video, um Pacing noch etwas anschaulicher zu machen. 

Mit jeder Tätigkeit entlädt sich der Akku, ohne sich wieder aufzuladen, wie es bei Gesunden der Fall wäre. Das heißt, es stehen nur eine begrenzte Zahl von Tätigkeiten innerhalb eines Tages zur Verfügung. Nehmen wir diesen Akku. Je nach Dauer und Intensität einer Tätigkeit kostet sie uns ein oder mehr Striche. 

Muss ich z. B. Essen planen und einkaufen gehen, kostet mich das vielleicht drei Striche. Dann muss ich priorisieren, was ich mit der restlichen Energie noch machen muss und was ich ggf. delegieren kann. Habe ich jemanden, der mir das Kochen abnehmen kann oder muss ich das selbst machen? 

Muss ich noch einen Anruf tätigen? Will ich noch etwas Kurzes lesen? 

Angenommen mir kann keiner beim Kochen helfen, kostet mich eine schnelle Mahlzeit warm machen noch einen Strich. Essen kostet mich noch einen und ich merke schon die ersten Warnzeichen dafür, dass ich meine Überlastungsschwelle erreicht oder überschritten habe, und mache den Rest des Tages Pause. 

Hilfreich kann es auch sein, Aktivitäten so abzuändern, dass sie nicht so belastend sind, z. B. im Sitzen zu Kochen oder im Liegen den Laptop zu bedienen. 

Eine Hilfe können Aktivitätstracker wie z. B. Fitnessuhren sein, um zumindest die körperliche Aktivität im Auge zu behalten. 

Pacing ist ein Konzept, das in der Theorie einfach, in der Praxis aber erst mit einiger Übung umzusetzen ist. Und wie wir alle wissen: Übung macht den Meister. Und ich kann aus eigener Erfahrung wirklich sagen: Es lohnt sich sehr, dran zu bleiben. 

Hilfreiche Links und weitere Informationen findest du in der Beschreibung. 

Und nicht vergessen: Teile das Video unbedingt mit deinen Freund*innen, Verwandten und Ärzt*innen. Denn auch im Jahr drei nach Beginn der Pandemie ist noch kaum bekannt, wie wichtig Schonung bei ME/CFS ist, um eine Zustandsverschlechterung zu vermeiden. 

Die Macher*innen dieses Videos wünschen euch viel Erfolg beim Pacing und sagen danke für eure Aufmerksamkeit.